Bonn schläft nicht!

Michael Müßig
Michael Müßig

Michael Müßig ist Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt und wirkte für die Fakultät Informatik und Wirtschaftsinformatik entscheidend am Aufbau einer Hochschulkooperation mit der Christ University Bangalore mit. Im Rahmen eines erneuten Aufenthaltes im Februar 2011 nahm er unter anderem am Social Media New Face of Marketing teil und lernte dabei Suresh Babu als einen der führenden Webmarketiers Indiens kennen.

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Wenn Unternehmensgründer Investoren ins Boot holen, dann geht es zwar immer um Geld, aber eben nicht nur! Häufig sind das spezifische Know-how sowie das Netzwerk des Investors wesentliche Kriterien für die Entscheidung.

Je nach Zeitpunkt wird bei der Investition zwischen einer Frühphase („Early Stage“, also bei und kurz nach Gründung eines Unternehmens) und einer „Expansion Stage“ (also der Wachstumsphase) unterschieden. Typischerweise wird bei der Frühphase zwischen SEED (von säen) und START-UP unterschieden. Die SEED-Phase beinhaltet damit alle Aktivitäten zur Entwicklung der Geschäftsidee, zur Erstellung des Businessplans inkl. der Vermarktungsplanung und zur Zusammensetzung des Gründerteams. Die SEED-Phase endet in der Regel mit der Gründung des Unternehmens und wird dann von der START-UP-Phase abgelöst.

Nachdem wir in der letzten Ausgabe mit Linden Ventures eine Investorengruppe aus der aktuellen Hauptstadt interviewet haben, orientieren wir uns diesmal nach Bonn. Wer glaubt, außer der Telekom und einiger Restministerien wären hier nur noch beschauliches Bürgertum und pensionierte Beamte anzutreffen, wird eindeutig eines Besseren belehrt. Auch hier tobt der Bär – und das nicht nur in den von Thomas Gottschalk weithin verbreiteten Tüten von „Hans Riegel, Bonn“, besser bekannt als HARIBO, sondern auch im Investorenumfeld. Bonn ist Sitz des „High-Tech-Gründerfonds“ und wir konnten mit Dr. Alexander von Frankenberg einen der beiden Geschäftsführer dieses mit deutlich über 100 Beteiligungen wahren „Big Players“ sprechen.

Sehr geehrter Herr von Frankenberg, hinter dem „High-Tech-Gründerfonds“ stehen namhafte Investoren wie Daimler, die Telekom, Siemens, Bosch, Carl Zeiss und BASF. Aber auch das Bundeswirtschaftsministerium und die KfW werden genannt. Worin bestehen Anspruch und Zielsetzung eines solchen Verbundes?
Als Public Private Partnership verfolgt der High-Tech-Gründerfonds klar ein Förderziel, bei dem es darum geht, pro Jahr vierzig bis fünfzig Hightech-Start-ups zu finanzieren, mit dem Anspruch, für alle Investoren gute Investments zu tätigen. Die Industrieinvestoren sind für unser Portfolio ein sehr relevantes Netzwerk. Wir haben Lieferbeziehungen, gemeinsame Forschungsprojekte bis hin zu Beteiligungen an unseren Portfoliounternehmen initiiert. Insgesamt investiert der High-Tech-Gründerfonds mit der Maßgabe „Qualität vor Quantität“.

Sie sind bezüglich der Investments in vielen Branchen aktiv. In Ihrem aktuellen Portfolio zählt man über 30 Unternehmen allein aus dem Umfeld „Web 2.0“ und „Neue Medien“. Welche Beteiligungen sind hier aktuell besonders spannend?
Wir haben spannende Beteiligungen aus allen Technologiefeldern, von innovativen Maschinenbauern über Wirkstoffentwickler und Med-Tech-Unternehmen bis hin zu Web- und Softwareunternehmen. Mittels Humangrid kann man komplexe Aufgaben über das Web verteilen und Teilaufgaben von vielen Einzelnen bearbeiten lassen. Das hat das Potenzial, bestimmte Branchen die Arbeitswelt vollkommen neu zu strukturieren. Unser Umsatzspitzenreiter im Portfolio ist Mister Spex - ein Unternehmen, das dabei ist, den Brilleneinzelhandel zu revolutionieren. Gamegenetics bietet eine Plattform und Infrastruktur für browserbasierte Spiele. Das Unternehmen adressiert den sogenannten „Long Tail", d. h. die vielen – noch – kleinen Spieleentwickler, und bietet ihnen eine Plattform für Profis. Gaming und E-Commerce sind ganz heiße Themen im Web. Wir haben aber auch Unternehmen, die technisch sehr komplexe Lösungen im Web abbilden, wie zum Beispiel Antispameurope, deren Spamfilter derzeit die weltweit besten sind. Man routet einfach den E-Mail-Verkehr über deren Server und hat schon kein Spamproblem mehr. Plixos entwickelt eine webbasierte Outsourcing-Plattform, um Outsourcing-Projekte sehr viel effizienter zu managen.

Mit excentos, plista, Divolution, YOOCHOOSE , Dealunited und anderen haben Sie in Unternehmen investiert, die alle mit unterschiedlichen Ansätzen die „Webite boosten“ wollen. Ist das eher Zufall oder sehen Sie in diesem Marktsegment eine besondere Zukunft?
Es wird immer mehr über das Internet passieren. Ob E-Commerce, Spenden sammeln, seinen Freundeskreis oder sich selbst organisieren oder sich informieren – die Wachstumsraten im Internet werden dauerhaft hoch sein. Deswegen sind Themen, die die Effektivität des Netzes erhöhen, nicht nur relevant, sondern selbst sehr wachstumsträchtig.

„Themen, die die Effektivität des Netzes erhöhen, sind nicht nur relevant, sondern selbst sehr wachstumsträchtig.“

Spielen nach Ihrer Einschätzung deutsche Unternehmen bei solchen Technologien in Zukunft auch europa- oder weltweit eine Rolle?
Absolut. Auch wenn wir noch nicht die ganz großen Volltreffer hatten, brauchen sich deutsche Unternehmen weder technologisch noch aus Management-Sicht vor ausländischen Vorbildern zu verstecken.

Apropos „Spielen“: Auch dem Entertainmentbereich scheint der High-Tech-Gründerfonds zugeneigt zu sein. Sind Firmen wie Worldwidegames, Mikestar und UP Web Game wirklich in näherer Zukunft profitabel zu machen? World of Warcraft und seondlife haben uns ja die Ups and Downs dieses Segments schon vorgeführt.
Der Spielemarkt ist mittlerweile riesig und wächst weiterhin stark. Mit bigpoint, gameforge oder Travian gibt es weltweit führende und profitable Player aus Deutschland. Wir sind sehr zuversichtlich, in unserem Portfolio ein paar Perlen zu haben. Neben dem starken Wachstum bieten diese Unternehmen auch ein robustes Geschäftsmodell: Durch den Verkauf virtueller Güter kann sich ein Spieler Zeit sparen, gleichzeitig sind die Intensität und die Verweildauer sehr hoch, das heißt, Nutzer spielen lange und sind bereit zu zahlen – das führt zu zum Teil extrem profitablen Unternehmen.

Welches war nach Ihrer Ansicht die interessanteste Transaktion im Bereich Web 2.0 in den letzten 12 Monaten?
Der Verkauf von CityDeal an Groupon – unglaublich, wie schnell die Samwers wieder einmal einen dicken Exit hinbekommen haben. Hut ab!

In welcher Phase sollten sich Unternehmensgründer bzw. Unternehmer am besten an Sie wenden – vor dem Start mit einer Idee, nach der Unternehmensgründung mit ersten Prototypen oder erst mit getätigten Umsätzen?
So früh wie möglich. Wir können sehr früh investieren, haben aber auch nichts dagegen, wenn wir etwas mehr Zeit haben, die Gründer und ihr Vorhaben kennenzulernen. Deswegen schätzen wir den Kontakt zu Gründern, auch wenn diese noch kein Geld aufnehmen wollen. In der Regel haben die Gründer zusätzlich zum Business-Plan schon etwas zu zeigen, z. B. einen Demonstrator oder Prototyp.

Und was zählt dann mehr: der ausgefeilte Businessplan oder die überzeugende Präsentation mit einem starken, motivierten Team?
Ganz klar: das Team.

Wie sieht das ideale Gründerteam aus? Welche fachlichen und persönlichen Skills sind für Sie besonders wichtig?
Zwei bis drei Gründer, die sich fachlich und persönlich gut ergänzen. Wir schätzen Schnelligkeit und Umsetzungsorientierung sehr, aber auch strategischen Weitblick und Visionen. Der Wille zum Erfolg und Durchhaltevermögen in schwierigen Zeiten (die wahrscheinlich auf jedes Gründerteam zukommen) sind sehr wichtig.

Der Gang an die Börse ist in der aktuellen wirtschaftlichen Situation wohl eher schwierig. Welches sind die Exitstrategien Ihres Fonds und in welchen Zeitspannen rechnen Sie hier normalerweise?
Typischerweise werden junge Unternehmen an andere Unternehmen verkauft. Normalerweise dauert es fünf bis sieben Jahre, bis ein Unternehmen exitreif ist. Wir haben in diesem Jahr bereits vier Unternehmen verkauft, die wir zwei bis vier Jahre im Portfolio hatten.

„Normalerweise dauert es fünf bis sieben Jahre, bis ein Unternehmen exitreif ist.“

Es wird immer wieder bemängelt, dass es in Deutschland zu wenige Unternehmensgründungen gibt. Was würden Sie dem Studiumsabsolventen oder dem Young Professional raten?
Justdoit.