Where is the money?

Michael Müßig
Michael Müßig

Michael Müßig ist Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt und wirkte für die Fakultät Informatik und Wirtschaftsinformatik entscheidend am Aufbau einer Hochschulkooperation mit der Christ University Bangalore mit. Im Rahmen eines erneuten Aufenthaltes im Februar 2011 nahm er unter anderem am Social Media New Face of Marketing teil und lernte dabei Suresh Babu als einen der führenden Webmarketiers Indiens kennen.

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Von Hype zu sprechen, haben sich alle vor 1980 Geborenen abgewöhnt. Die Erfahrungen mit „burn rates“ und IPOs um den Jahrtausendwechsel sitzen noch zu sehr in den Knochen bzw. in den Konten. Aber trotz – oder wegen(?) – der Wirtschaftskrise ist es wieder sehr gut möglich, für gute Ideen und Engagement Investoren zu finden. Wir wollen mit einer eigenen Rubrik auch hier die Community vernetzen und helfen, gute Ideen mit gutem Geld zusammenzubringen. Deshalb wird es in jeder Ausgabe ein Interview und einige Hintergründe zu Venture-Capital-Unternehmen, Business Angels und – soweit sinnvoll – auch öffentlichen Fördermöglichkeiten geben. Wir starten in Berlin, denn da scheint aktuell das Tier im Stadtwappen zu toben. Und mit Linden Ventures haben wir uns auch ein recht junges Unternehmen der Branche herausgesucht – mit dem Vorteil, dass alle Partner selbst schon aktive und erfolgreiche Gründungen hinter sich haben und daher sehr genau wissen, worauf es bei erfolgreichen Geschäftsmodellen ankommt. Unser Gesprächspartner kann auf eine beeindruckende persönliche Entwicklung und einen ebenso beeindruckenden Namen zurückgreifen. Umso spannender war auch die Interviewabwicklung, das „remote“ irgendwo zwischen der Harvard University und Colorado (da haben wir sie wieder, die Gummibären) durchgeführt wurde.

Herr v. Siemens, der Hype bei Gründungen im Webbereich hat ja stark nachgelassen. Gibt es denn aktuell mehr Geld als vernünftige Projektideen oder hat die Zurückhaltung der VCs sich wieder gelegt bzw. normalisiert?
In den Later Stage Venture Capital und Private Equity Funds sind derzeit liquide Mittel im Überfluss vorhanden – Unternehmen und Projekte haben hier relativ einfachen Zugang zu Kapital. Dies trifft zum Teil auch für Early Stage Funds zu, jedoch ist hier die Hürde insbesondere für erstmalige Gründer wesentlich schwerer zu nehmen, da ja in Zeiten des ökonomischen Abschwungs die Anzahl der Selbstständigen zunimmt und damit auch die Nachfrage nach Seed Capital hoch ist. Wir selbst und verbundene Funds suchen jedoch aktiv nach klugen, motivierten Köpfen mit disruptiven Ideen/Technologien.

Wo liegt aktuell der Schwerpunkt des Linden Ventures Portfolios? Welche Themen sehen Sie in der Zukunft?
Unsere Schwerpunkte sind derzeit technologie- sowie transaktionsbasierte Modelle im Web- und Mobile-Sektor.
Themenunabhängig ist es die Vision von Linden Ventures, ein besseres Umfeld für Entrepreneure in Europa zu schaffen. Dies erreichen wir durch systematische Vernetzung von Gründern mit technischem und wirtschaftswissenschaftlichem Hintergrund, durch die Einbindung von Top-Fakultäten, durch vereinfachten Zugang zu Kapital und durch unser Scholarship-Programm. Daher legen wir den Schwerpunkt nicht auf eine Industrie oder ein Thema, sondern auf unser Entrepreneurship-Modell, bei dem Experten mit Hintergrund in verschiedenen Sektoren und Funktionen neue Unternehmer tatkräftig unterstützen.

Was kann man sich unter Ihrem Scholarship-Programm genau vorstellen?
Das Linden-Scholarship-Programm bietet Unternehmern die Möglichkeit, qualitativ hochwertige und tangible Unterstützung bei Gründungen zu erhalten. Teilnehmende Unternehmer erhalten unser Start-up Kit, welches Dokumente, Vorlagen und Anleitungen für die funktionalen Bereiche des Unternehmens enthält (Finanzierung, Personal, IT, Operations, Einkauf, Marketing etc.). Viel wichtiger ist jedoch die garantierte, gezielte und inhaltlich tief gehende Unterstützung durch unsere Experten in Workshops zu einzelnen Themenbereichen. Wir arbeiten beispielsweise mit einigen Gründern aus der Harvard Business School zusammen, die konzeptionell wirklich exzellent sind, denen aber das notwendige Hintergrundwissen zu Web- und Mobile-Technologien fehlt. Einem weiteren Projekt helfen wir durch lokales Marktwissen und starke Kontakte in die Versicherungsindustrie. Durch das Scholarship-Programm können wir auf diesen Wegen sehr schnell echten Wert für Unternehmer schaffen und, das hoffen wir, ihnen die Angst vor Gründungen nehmen.

Was muss man als Hochschule oder Student tun, um mit Ihnen zusammenzuarbeiten?
Studenten können sich sowohl mit konkreten Projekten/Ideen als auch als interessierte Gründer auf das Scholarship-Programm bewerben. Ersteres ist attraktiver und chancenreicher, aber wir haben auch hochwertige Projekte in der Pipeline, für die wir motivierte und unternehmerische Studenten suchen.
An Universitäten arbeiten wir derzeit primär mit einzelnen Professoren oder Instituten zusammen. An der Universität St. Gallen ist das zum Beispiel Prof. Dr. Christoph Müller vom KMU-Institut, auch Direktor des Centers for Entrepreneurial Excellence. Mittelfristig werden wir hier eine Plattform etablieren, durch die Studenten, Unternehmer und Professoren Projekte fakultäts- und universitätsübergreifend bearbeiten können. Diese Vernetzung und die Zusammenarbeit mit Universitäten ist für uns ein besonders spannendes Feld, in dem wir in Deutschland, Europa und auch global gute Möglichkeiten sehen, eine wertvolle und inspirierende Umgebung für Studenten, Unternehmer und Professoren zu schaffen.

Was funktioniert keinesfalls bzw. welche Ideen kann man gleich ad acta legen? 
Meiner Meinung nach funktioniert jede Idee mit dem richtigen Team. Ich habe jedoch gehört, die Konkurrenz in den Märkten für Social Networks und Online-Suchmaschinen ist derzeit relativ hart ;-)

Was ist mit den vielen Me-too-Projekten? Eine internationale Plattform macht etwas vor und 20 deutsche Nachmacher wollen an den Start. Macht so etwas heute noch Sinn?
Ich finde es persönlich schade, dass wir in den EU-TIME-Märkten unsere Ressourcen für Ideenübernahme aus den USA anstelle für die Entwicklung eigener Konzepte aufwenden. Vorbilder sind Unternehmen wie Skype, Amiando AG oder Searchmetrics, die mit ihren Produkten auch international erfolgreich sind. 
Für Linden Ventures ist Me-too nicht der Fokus. Gerne arbeiten wir mit US-Unternehmern zusammen, um die Konzepte gemeinsam nach Europa zu bringen. Es sind bereits hochwertige US-Projekte mit tollen Teams in unserem Scholarship-Programm.

Was war die interessanteste Transaktion in Ihrer Zielbranche in den letzten zwölf Monaten?
Die Akquisition des Match.com-Portals durch Meetic. Diese Transaktion gehörte zu den seltenen Fällen, in denen ein Europäer Teile eines US-Unternehmens übernahm.

Welche Form der Kontaktaufnahme ist Ihnen am liebsten – direkt, über Vermittler oder aus dem bestehenden Netzwerk?
Direkt, am besten mit einer Referenz aus dem Netzwerk.

Was ist Ihnen wichtiger – ein ausgefeilter Businessplan oder eher eine überzeugende Präsentation der Idee?
Überzeugende Präsentation – unsere Partner und Unternehmer sollen sich und ihr Produkt gut verkaufen können und den Fragen unseres Teams sicher begegnen.

In welcher Phase sollten sich die Gründer an Sie wenden: Vor dem Start mit einer Idee, nach Unternehmensgründung mit ersten Prototypen oder erst mit getätigten Umsätzen?
Prinzipiell können wir für jede Phase der Unternehmensentwicklung und alle Transaktionsvolumina Unterstützung und Investoren stellen. Unsere derzeitigen Projekte rangieren von vierstelligen bis zu siebenstelligen Investments. Jedoch gilt: Je früher, desto besser, denn dann können wir die Gründer am effektivsten unterstützen. 
Unser Ziel ist es, eine gute, effektive Partnerschaft auf inhaltlicher Augenhöhe mit den Portfoliofirmen aufzubauen und tangible finanzielle und nicht-finanzielle Werte für unsere Gründer zu generieren. Dies geschieht primär durch unser Linden Scholarship-Programm, auf das sich werdende und etablierte Unternehmer bewerben können. In diesem Programm beschleunigen wir das Wachstum von Unternehmen durch das aktive Einbringen von Netzwerk und Erfahrungsschatz. Alle Partner waren vor ihrer Tätigkeit bei Linden Ventures selbst als Unternehmer tätig und kennen die Herausforderungen von Gründungen genau.

Sie sagen „möglichst früh“. Wie kann man Gründer davon überzeugen, dass ein VC nicht einfach die Idee übernehmen möchte? Das ist ja eine der Hauptängste von Innovatoren – deshalb versuchen sie es so lange allein.
Hierzu bieten wir gerne ein vertrauliches Gespräch mit unseren Anwälten an, da intellektuelles Eigentum je nach Typ unterschiedlich geschützt werden kann. Mein Ratschlag: Bei neuen Technologien und wirklich innovativen Ideen sehr vorsichtig mit den Informationen umgehen und vor selektiver Weitergabe zunächst ein sogenanntes NDA (non-disclosure agreement) unterschreiben lassen.

Wie sieht das ideale Gründerteam aus? Welche fachlichen und persönlichen Skills sind für Sie besonders wichtig?
Teams sollten sozial gut miteinander auskommen und im besten Fall bereits an anderer Stelle gemeinsam gearbeitet haben. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Unternehmen, deren Gründer sich auch fachlich ergänzen, erfolgreicher sind. Im TIME-Sektor besteht ein gutes Team daher in der Regel aus einem starken Verkäufer, einem Finanzexperten und einem Technologen. Für gute Teamarbeit sind Fokussierung, ein starker Wille zur Zusammenarbeit und freundliches Auftreten wichtig.

Mit welcher Zeitspanne rechnen Sie im Durchschnitt zwischen Invest und Exit?
Drei bis sieben Jahre.

Da werden wir uns sicher vorher noch mal sprechen! Wir wünschen Ihnen, Herrn v. Siemens und Linden Ventures gutes Gelingen!

Zur Person:

Bjoern von Siemens ist Managing Director und Co-Founder bei Linden Ventures. Sein Interesse und Verantwortungsbereich sind das Universitätsnetzwerk, Deal Flow und strategische Beratung von Start-ups (disruptive strategies). Zuvor hat Bjoern Erfahrungen in den Sektoren Unternehmensberatung, Venture Capital, Private Equity und Industrie bei der U25 Ventures, Boston Consulting Group, Bain & Company, D&C Private Equity und Siemens AG gesammelt.
Bjoern promoviert zum Thema Entrepreneurship an der Universität St. Gallen und ist derzeit Visiting Fellow an der Harvard University/Harvard Business School. Zuvor absolvierte er das M.Sc.-Programm in Accounting und Finance an der London School of Economics and Science sowie das B.Sc.-Programm in Management und Sprachen an der European Business School. Er schloss unter den besten 3 % bzw. 10 % seines Jahrgangs ab.