Ein einziges Opt-in für mehrere Werbekanäle ausreichend

Martin Bahr
Martin Bahr

Dr. Bahr ist Rechtsanwalt in Hamburg und auf das Recht der Neuen Medien und den gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Neben der reinen juristischen Qualifikation besitzt er ausgezeichnete Kenntnisse im Soft- und Hardware-Bereich. Unter Law-Podcasting.de betreibt er seit 2006 einen eigenen Podcast und unter Law-Vodcast.de einen Video-Vodcast.

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat vor Kurzem eine überraschende Entscheidung getroffen (Urt. v. 01.02.2018 – Az.: III ZR 196/17): Ab sofort genügt es, wenn ein einziges Opt-in für unterschiedliche Werbekanäle erhoben wird. Und nicht nur das: Die Richter sind auch der Ansicht, dass die Formulierung „zur individuellen Kundenberatung“ ausreichen soll, um eine wirksame Einwilligung herzustellen.

1. Bisherige Rechtsprechung im (Online-)Marketing

Die Rechtsprechung im Bereich des (Online-)Marketings war in den letzten Jahren stark geprägt durch einen sehr restriktiven Ansatz. Die Gerichte stellten übertriebene Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit einer Einwilligung auf. So hatte der BGH erst im März 2017 noch einmal klargestellt, dass ein Opt-in für E-Mail-Werbung nur dann rechtlich wirksam ist, wenn es hinreichend deutlich bestimmt, für genau welchen Bereich die Einwilligung gelten soll. Für viel Aufsehen hatte vor allem ein Urteil des OLG Frankfurt a. M. gesorgt, in dem die Richter betonten, dass Einwilligungserklärungen, die sich auf

  • „Media und Zeitschriften",
  • „Vermögenswirksame Leistungen",
  • „Altersvorsorge",
  • „Finanzen und Versicherungen",
  • „Telekommunikationsprodukte bzw. -angebote",
  • „E-Mail-Werbung für Unternehmen",
  • "Versandhandel" oder
  • „Zusendung von Newslettern des Portals XY mit unterschiedlichen Produktangeboten wie bspw. Kleidung, Reisen, Rabatte"

beziehen, allesamt nicht hinreichend bestimmt und somit rechtlich unwirksam sind. Insgesamt bot die bisherige Rechtsprechung also für den Bereich des (Online-)Marketings keine allzu rosigen Aussichten.

2. Neues Urteil des BGH von Februar 2018

Ein neues Urteil des BGH vom Februar 2018 gibt nun berechtigten Anlass zur Hoffnung, dass sich die Anforderungen an die rechtliche Wirksamkeit eines Opt-ins in der näheren Zukunft ein wenig aufweichen werden.

a. Sachverhalt

Inhaltlich ging es um nachfolgende Einwilligungsklausel:

„[…] Ich möchte künftig über neue Angebote und Services der T. GmbH per E-Mail, Telefon, SMS oder MMS persönlich informiert und beraten werden. 
„Ich bin damit einverstanden, dass meine Vertragsdaten aus meinen Verträgen mit der T. GmbH von dieser bis zum Ende des Kalenderjahres, das auf die Beendigung des jeweiligen Vertrages folgt, zur individuellen Kundenberatung verwendet werden. Meine Vertragsdaten sind die bei der T. GmbH zur Vertragserfüllung (Vertragsabschluss, -änderung, -beendigung, Abrechnung von Entgelten) erforderlichen und freiwillig abgegebenen Daten."

 

 

Die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Köln (OLG Köln), hatte, basierend auf der bisherigen Rechtsprechung des BGH, diese Einwilligungsklausel als rechtswidrig eingestuft. Dieser Ansicht folgte der BGH nicht, sondern stufte die Klausel und damit die erhobene Einwilligungserklärung für rechtmäßig ein.

Dabei hatte sich das Gericht mit zwei Fragen auseinanderzusetzen: Erstens, ob für unterschiedliche Werbekanäle ein Opt-in ausreichend ist. Und zweitens, ob die Beschreibung zur „individuellen Kundenberatung“ ausreichend bestimmt ist.

 


[1] BGH, Urt. v. 01.02.2018 – Az.: III ZR 196/17.

b. Ein Opt-in für mehrere Werbekanäle

Die Frage, ob pro Werbekanal ein getrenntes Opt-in notwendig ist, beantwortet der BGH mit einem klaren Nein. Es sei vollkommen ausreichend, wenn in einer Zustimmung die Erklärung für unterschiedliche Kommunikationskanäle erhoben wird.

Bislang wurde pro Werbekanal jeweils ein Opt-in gefordert. Das sah i. d. R. dann so aus:

„[…] Ich stimme zu, dass mich die Firma X zukünftig (…) anrufen darf.“
„[…] Ich stimme zu, dass mich die Firma X zukünftig (…) per E-Mail kontaktieren darf.“
„[…] Ich stimme zu, dass mich die Firma X zukünftig für (…) per Fax kontaktieren darf.“

Ein solches Einwilligungs-Epos löste bei den Werbetreibenden nie Begeisterungsstürme aus, u. a. auch deswegen, weil durch die Verwendung mehrerer Checkboxen die Conversion massiv negativ beeinflusst wurde.

Durch das BGH-Urteil ist diese Trennung nun obsolet. Die Karlsruher Richter erklären ausdrücklich:

„Unter Schutzzweckgesichtspunkten ist eine gesonderte Einwilligung für jeden Werbekanal ebenfalls nicht erforderlich. Dem Schutzzweck der Vorschrift wird eine getrennt von anderen Inhalten und Hinweisen abgegebene, allein auf die Einwilligung in Werbung gerichtete Erklärung gerecht, auch wenn sie sich auf alle Werbekanäle bezieht (...)."

 Ab sofort kann die Abfrage somit in einer einzigen Checkbox erfolgen:

„[…] Ich stimme zu, dass mich die Firma X zukünftig (…) anrufen, per E-Mail oder per Fax kontaktieren darf.“

Aber Achtung!

Wenn Sie sich als Unternehmer durch eine vertragliche Selbstverpflichtungserklärung zu etwas verpflichtet haben, dann gilt auch nach der BGH-Entscheidung diese Erklärung weiterhin.

Zum Beispiel verlangt die Certified Senders Alliance (CSA) die Einholung getrennter Opt-ins. Solange an dieser CSA-Selbstverpflichtungserklärung keine Änderung erfolgt, gilt die alte Anforderung weiterhin. Sie können sich dann nicht auf die aktuelle Entscheidung berufen, sondern es gelten vorrangig die vertraglichen Vereinbarungen. Es ist also zwingend notwendig, dass vorher die entsprechenden Institutionen ihre Regeln anpassen, damit Sie als Werbetreibender tatsächlich nur ein Opt-in einsetzen können.

c. Veränderte Anforderungen an hinreichende Bestimmtheit

Die Entscheidung ist jedoch nicht nur hinsichtlich der Werbekanäle relevant, sondern stellt insofern auch Neuigkeiten in puncto hinreichender Bestimmtheit auf.
Die Richter sind nämlich der Ansicht, dass die Formulierung „zur individuellen Kundenberatung“ ausreichend konkret ist, um ein rechtlich einwandfreies Opt-in herzustellen.
Wörtlich führt das Gericht aus:

„Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Gegenstand der Beratung für die Zeit nach Vertragsbeendigung durch die Verwendung des Begriffes ‚individuelle Kundenberatung‘ nicht unklar. Die drei Sätze der Klausel bilden (…) eine inhaltliche Einheit und konkretisieren gemeinsam den Inhalt und zeitlichen Umfang der Einwilligung. (…)
Die Klausel enthält eine zusammenhängende Regelung der Einwilligung, so dass auch bei einer Auslegung nicht einzelne Sätze getrennt zu bewerten sind, sondern jeweils der gesamte Inhalt der Klausel zu berücksichtigen ist. (…)
Auch der Inhalt der angekündigten Beratung wird (…) deutlich: Im Hinblick darauf, dass die Beklagte und deren Produktpalette allgemein und erst recht dem online einen Telekommunikationsdienstleistungsvertrag abschließenden Kunden bekannt sind, ist diesem auch hinreichend klar, auf welche Art von Angeboten und Services sich die Einwilligung bezieht. Eine nähere Konkretisierung ist in diesem Fall nicht erforderlich."

Der BGH stufte die streitgegenständliche Einwilligungserklärung somit als hinreichend bestimmt ein und wertete die Klausel als wirksam.

d. Praktische Konsequenzen: Reichweite der Änderungen bei Bestimmtheit

Die bislang vorherrschende, sehr restriktive Rechtsprechung ist nicht in Einklang zu bringen mit der aktuellen Entscheidung des BGH. Vielmehr stehen sich hier zwei unterschiedliche Interpretationen – scheinbar unversöhnlich – frontal gegenüber.
Welche Reichweite hat nun die aktuelle Entscheidung? Hebt sie alle bisherigen Anforderungen auf und liegt hier eine Trendwende vor? Wird der BGH hier in puncto (Online-)Marketing liberaler?
Um es deutlich zu sagen: Eine klare Antwort gibt es derzeit nicht. Denn die Auslegung, welche Reichweite das vorliegende Urteil hat, ist auch deshalb so schwer, weil der BGH sich an keiner Stelle vertieft mit seinen bisherigen eigenen Entscheidungen auseinandersetzt. Vielmehr erklären die Richter lapidar, dass eine Einwilligungserklärung nicht isoliert auszulegen, sondern im Gesamtkontext zu sehen sei. Dabei handelt es sich jedoch um keine neuartige Erkenntnis, sondern eher um eine Binsenweisheit.

Was die neue Entscheidung nicht ist:
Man würde das Urteil überstrapazieren, wenn man die Ansicht verträte, der BGH nehme Abstand von seinen bislang sehr konservativen Standpunkten. Für eine solche weitreichende Interpretation finden sich in den richterlichen Entscheidungsgründen keine ausreichenden Hinweise.

Was die neue Entscheidung aber auf jeden Fall ist:
Sie bietet dem einzelnen Werbetreibenden neue Verteidigungsmöglichkeiten vor Gericht. Dies gilt gerade bei gerichtlichen Streitigkeiten vor den Amts- und Landgerichten. Bislang stand der Unternehmer stets auf verlorenem Posten, wenn es um das Thema hinreichende Bestimmtheit der Einwilligungserklärung ging. Dies ist nun mit dem vorliegenden Urteil anders. Der Werbetreibende wird konkret ins Feld führen können, dass der BGH solche Formulierungen wie „zur individuellen Kundenberatung“ nicht automatisch für unwirksam erklärt.

Eine vollkommene Änderung der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wird auch die neue BGH-Entscheidung sicherlich nicht herbeiführen. In der einen oder anderen gerichtlichen Auseinandersetzung wird das Urteil aber möglicherweise die Waagschale nunmehr zugunsten des Werbetreibenden beeinflussen können.