Content Design – digitale Inhalte zielorientiert gestalten

Robert Weller
Robert Weller

Robert Weller ist Director der Growth Academy von konversionsKRAFT. Seine Leidenschaft ist es, Menschen durch die Wissensvermittlung und den Erfahrungsaustausch bei ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung zu unterstützen. Dafür nutzt er auch seinen Blog toushenne und engagiert sich als Speaker regelmäßig für den Ideenaustausch rund um digitale Wachstumsstrategien.

Mehr von diesem AutorArtikel als PDF laden

Content kann mehr als nur Marketing, auch wenn das bisher kaum ein Thema ist. Spätestens bei der Konzeption und vor allem der visuellen Gestaltung muss man sich die Frage stellen, welchen konkreten Zweck einzelne Inhalte erfüllen sollen. Der Zweck bestimmt das Design und sein volles Potenzial entfaltet Content durch den Einsatz entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Content wird noch immer primär mit Marketing assoziiert, was die Herangehensweise an das Thema grundlegend einschränkt. Planung, Produktion und andere Prozesse werden engstirnig auf Marketingziele wie Reichweite, Traffic oder die Lead-Generierung, also das Einsammeln von Kontaktdaten potenzieller Kunden, ausgerichtet. Dabei liegt das größte Potenzial von Content in seinem Einsatz entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Dieses Potenzial entfaltet sich, wenn dem Konsumenten an den vielen verschiedenen Kontaktpunkten – nicht nur, aber vor allem im digitalen Umfeld – mit einem Unternehmen durch Content ein einheitliches Bild dessen vermittelt wird. Ein Bild, das parallel zur Kundenreise (Customer Journey) entsteht. Entscheidend ist nicht die Vollständigkeit dieses Bildes beim Erstkontakt, sondern die Konsistenz während der gesamten Reise.

Stellen Sie sich vor, Sie sind in einem fremden Land und suchen einen Supermarkt, um Lebensmittel zu kaufen. Wie gehen Sie vor? Fragen Sie Anwohner nach dem Weg oder gleich nach einer Empfehlung? Oder schlendern Sie so lange durch die Gassen, bis Sie zufällig einen Supermarkt entdecken? Was dann? Gehen Sie direkt rein ins Geschäft oder bewerten Sie nicht doch schon unterbewusst den äußeren Eindruck? Besteht der Laden den ersten Eindruck und Sie treten ein, was passiert? Sie sehen, hören, riechen … Sie reevaluieren Ihre vorherige Einschätzung und wägen ab, inwieweit Sie Ihr Bedürfnis, Lebensmittel einzukaufen, hier befriedigen können.

Die Geschichte hört an dieser Stelle natürlich nicht auf, aber die Botschaft ist eindeutig: Ein Kaufprozess besteht aus mehreren Phasen und erfordert unzählige Entscheidungen. Das ist online nicht anders als offline. Genau diese Phasen gilt es durch Content zu gestalten und die Erfahrung, die Konsumenten währenddessen machen, positiv zu beeinflussen.

Nun lassen sich diese Phasen leider nicht trennscharf definieren, in Bezug auf die Gestaltung des dafür jeweils notwendigen Contents lassen sich jedoch folgende differenzieren:

  1. Aufmerksamkeit (Attention)
  2. Interaktion (Engagement)
  3. Umsetzung (Conversion)
  4. Erfolg (Success)

Design for Attention – durch Content wahrgenommen werden

Unternehmen publizieren Content nicht nur, um gesehen zu werden, sondern auch, um die Aufmerksamkeit des Konsumenten auf bestimmte Elemente zu lenken. Das können schriftliche Botschaften sein, spezifische Gestaltungselemente einer Webseite oder konkrete Handlungsaufrufe (Calls-to-Action).

Der Supermarkt wird beispielsweise Sonderangebote durch eine prominente Platzierung, Werbung in unmittelbarer Nähe oder bunte Preisschilder hervorheben, wie in Abbildung 1 zu sehen.

Bewährte Gestaltungsmethoden, um Aufmerksamkeit zu lenken

Zu den effektivsten Gestaltungsmethoden zählen Größe und Farbe, insbesondere in einem starken Kontrast zum Umfeld einzelner Elemente. Sehr wirkungsvoll sind auch visuelle Richtungshinweise, sogenannte „Directional Cues“, die in der Gestalt von Pfeilen, Linien oder Blickrichtungsmustern (siehe Abbildung 2) die Aufmerksamkeit des Konsumenten lenken können. Dasselbe funktioniert übrigens auch durch konkrete Aussagen wie „siehe unten“ für das geschriebene Wort. Genauso effektiv ist Bewegung (Animation), wie etwa auf datorama.com oder n26.com zu sehen. Oder denken Sie an blinkende Neon-Leuchttafeln. Eine gewisse Dynamik kann im Grunde die Wirkung eines jeden Elements verstärken.

Daneben beeinflusst die visuelle Dominanz den Fokus der Aufmerksamkeit ebenso gut wie die visuelle Eingrenzung, Unterbrechungen oder ein Aufforderungscharakter, wie er oft bei klickbaren Buttons Anwendung findet. Dominanz wird durch einen größtmöglichen Unterschied in der Gestaltung eines Elements im Vergleich zu den übrigen umliegenden erzeugt. Unterbrechungen sind beispielsweise Zwischenüberschriften, Stichpunktlisten oder Hinweiskästen.

Info

Die Sichtbarkeit einzelner Inhalte lässt sich im Kontext von Webseiten schon sehr leicht dadurch beeinflussen, dass sie von diversen Stellen aus verlinkt wird. Typische Anwendungsbereiche sind die Navigation, Übersichtsseiten (zum Beispiel Archiv- oder Kategorie-Seiten), Leseempfehlungen am Ende eines Blogbeitrags oder konkrete Verweise im Fließtext.

Diese Vernetzung hat mehrere Vorteile: Zum einen wird der Konsument auf das gesamte Content-Angebot aufmerksam und kann sich einfach von einem Content zum nächsten klicken. Zum anderen unterstützt die Vernetzung den Content-Manager dabei, das gesamte Portfolio im Blick zu behalten und es strategisch so zu organisieren, dass keine „Einbahnstraßen“ entstehen – das heißt, Situationen, an denen der Nutzer den Konsum beenden oder auf einer externen Plattform weiterführen muss, weil kein weiteres internes Angebot vorliegt.

Design for Engagement – durch Content Daten aggregieren

Ein optimiertes Content-Portfolio ermöglicht es dem Konsumenten, einem sogenannten Engagement Path zu folgen. Damit ist, wie zuvor angedeutet, die Möglichkeit des endlosen Content-Konsums gemeint. Dieser Weg führt aus Sicht des Anbieters idealerweise an ein konkretes Ziel, aber dazu gleich mehr.

Der Auftrag für die Gestaltung ist eine positiv auffallende User Experience (UX). Gutes Design wird oft nicht als solches wahrgenommen, weil es im Grunde nur die Erwartungen des Konsumenten erfüllt. Schlechtes Design hingegen fällt sofort auf, etwa wenn ein Text schlecht lesbar ist, Bilder nicht geladen werden oder Links ins Leere laufen. Adobe hat jüngst in der „Consumer Content Survey 2018“ schlechte Usability als Content-Killer Nummer 1 identifiziert (siehe einfach.st/adobe3).

Gemäß bekannter UX-Design-Konzepte muss Content auffindbar und zugänglich sein, nutzbar, nützlich und wertvoll sowie allgemein glaubwürdig und erwünscht. Es geht in dieser Phase der Customer Journey also nicht ausschließlich um die visuelle Gestaltung von Inhalten, sondern um die Konzeption konkreter Interaktionsmöglichkeiten. Entscheidend dabei ist der Kontext, in dem sich ein Konsument befindet. Da dieser jedoch nur schwer anhand des bisherigen Konsums zu bestimmen ist, bieten sich an dieser Stelle „Engagement Elements“ an, die den Nutzer involvieren. Das sind beispielsweise Social-Media-Share-Buttons, eine Kommentarfunktion oder interaktive Elemente wie (Kurz-)Umfragen oder ein Quiz – eigentlich alles, was dem Nutzer mehr als einen Klick abverlangt. Im Supermarkt sind das beispielsweise die Probierhäppchen an der Käsetheke.

„Tell me and I will forget. Show me and I will remember. Involve me and I will understand. Step back and I will act.” – chinesisches Sprichwort

Sind diese Elemente entsprechend den zuvor beschriebenen Design-Methoden gestaltet, sodass Konsumenten sie wahrnehmen und nutzen, können Unternehmen darüber wertvolle Informationen über deren Bedürfnisse oder Verhaltensweisen gewinnen. Diese können wiederum für die Personalisierung beziehungsweise kontextbasierte Aussteuerung von Inhalten genutzt werden, was die User Experience weiter verbessert.

Design for Conversion – durch Content eine Handlung herbeiführen

Es ist ein wichtiger Schritt, den Konsumenten zu involvieren, denn er wird dadurch aktiviert. Er wird durch viele kleine, einfache und für ihn vorteilhafte Aktionen in Bereitschaft versetzt, dem Anbieter des Contents etwas zurückzugeben. Das kann in Form persönlicher Daten (zum Beispiel durch das Ausfüllen eines Formulars) oder einer Transaktion (zum Beispiel beim Kauf eines Produkts) geschehen.

Content-Marketing basiert zu einem großen Teil auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit, doch dieser psychologische Trigger ist oft noch nicht genug. Verknappung und Dringlichkeit sind zwei weitere Methoden, um den Konsumenten unter Druck zu setzen und ihn zu einer Entscheidung zu zwingen.

Der Supermarkt lockt Kunden womöglich mit wöchentlichen, ergo zeitlich begrenzten Angeboten, die zudem in ihrer Stückzahl limitiert und dadurch noch begehrenswerter sind. Dieses „Aldi-Phänomen“ dürfte den meisten bekannt sein.

Natürlich sollten es Unternehmen damit nicht übertrieben und Vertrauenseinbußen riskieren, aber insbesondere durch visuelle Elemente können sie ihre Konsumenten so zu einer Handlung bewegen. Booking.com (siehe Abbildung 3) ist ein Paradebeispiel für die Visualisierung von Verknappung und Dringlichkeit.

Info

In ihrem neusten Buch „Content Design“ (Hanser Verlag) erklären die Autoren Robert Weller und Ben Harmanus im Detail, warum optisch ansprechende Inhalte der erste Schritt in Richtung Online-Marketing-Erfolg sind. Sie zeigen, wie Sie durch inhaltlich und visuell gut konzipierten Content mehr Klicks und Conversions generieren und sie veranschaulichen anhand zahlreicher Beispiele, wie aus Website-Besuchern regelmäßige Leser, Abonnenten, Kunden und Fans werden.

Ein weiterer visueller Überzeugungsreiz ist der sogenannte soziale Beweis. Je mehr Leute positiv über ein bestimmtes Produkt sprechen, desto begehrenswerter wird es. Ein bekanntes Beispiel sind Amazon-Rezensionen. Je mehr und je positiver sie sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch andere Interessenten ein bestimmtes Produkt kaufen. Dieselbe Wirkung haben Kundenstimmen (Testimonials), Referenzlogos oder die Anzahl an Social-Media-Followern.

Das vermeintlich wichtigste visuelle Element für die Conversion ist jedoch ein konkreter Handlungsaufruf (Call-to-Action), zum Beispiel in Form eines Formular- oder Bestell-Buttons.Und je harmonischer sich der anschließende „Conversion Flow“ anfühlt, desto besser. Doch gerade im Online-Marketing läuft hier gerne mal was schief. Denn ein typischer Conversion Flow, zum Beispiel zur Lead-Generierung, ist extrem disruptiv:

Der Konsument klickt aus einem Blogartikel heraus auf einen Link, der ihn zu einer Landingpage leitet. Dort füllt er ein Formular aus und klickt auf den Button, was ihn wiederum auf eine „Danke-Seite“ weiterleitet, die in den schlimmsten Fällen eine Einbahnstraße darstellt (siehe oben). Nun wird erwartet, dass der Konsument seine E-Mails abruft (was einem Medienbruch gleichkommt) und dort einem weiteren Call-to-Action folgt, bis er endlich an den Content gelangt, den er eigentlich haben will: ein einfaches E-Book. Ob er dieses dann aber auch noch liest oder zwischenzeitlich das Interesse verloren hat, ist nicht ersichtlich. Lohnt sich der Aufwand also überhaupt?

Aus gestalterischer Sicht ist der Einsatz von Overlays (Pop-ups) viel sinnvoller und UX-freundlicher, um dem Konsumenten Zugang zum gewünschten Content unmittelbar und im selben Umfeld zu gewähren. Unbounce macht das auf der Webseite zum Digital Marketing Kickoff sehr anschaulich (siehe Abbildung 4). Auf diese Weise behalten Anbieter den Konsumenten in einem Umfeld, das sie vollständig kontrollieren können.

Design for Success – durch Content das Unternehmenswachstum fördern

Bis hierher dient Content tatsächlich primär dem Marketing, doch die Reise des Konsumenten ist damit nicht zu Ende. Sofern bisher keine transaktionale Conversion erfolgt ist, obliegt es in vielen Fällen dem Vertrieb, diesen Schritt zu bewerkstelligen. Zudem fällt es in der Regel in seinen Aufgabenbereich, Kunden auf weitere Produkte aufmerksam zu machen, wodurch diese die beschriebene Reise in einem anderen Kontext erneut antreten.

Parallel dazu ist der Kundenservice dafür verantwortlich, dass Kunden langfristig zufrieden sind und eben jene so wertvollen Rezensionen schreiben und Empfehlungen aussprechen. Auch dafür kann Content dienlich sein, etwa in Form weiterführender Produktinformationen oder Anwendungsbeispiele. Der Supermarkt könnte zum Beispiel ein Kundenmagazin mit Rezepten oder Ernährungstipps publizieren, ähnlich wie es das E-Commerce-Unternehmen Springlane tut. Dort werden zahlreiche ergänzende Inhalte durch Bilder und aufmerksamkeitsstark gestaltete Call-to-Action-Elemente beworben (siehe Abbildung 5).

Durch ein umfangreiches Angebot, das in sogenannten Content Hubs übersichtlich strukturiert angeboten wird, binden sich Kunden und Konsumenten mit der Zeit immer stärker an ein Unternehmen, bauen Vertrauen auf und entwickeln eine gewisse Loyalität und Markentreue.

Abschließend fehlt nur noch der Hinweis, dass Content Design kein Projekt mit Anfang und Ende ist, sondern ein Prozess; ein Kreislauf. Vom Eintreten in den Supermarkt bis hin zur Kasse waren schon viele Entscheidungen nötig, doch die Notwendigkeit, diese Entscheidungen zu treffen, stellt sich noch häufiger. Nämlich immer dann, wenn Konsumenten etwas benötigen – zum Beispiel Informationen oder Produkte – oder schlicht was erleben wollen. Ebendarum wird auch Content so schnell nicht an Relevanz verlieren und ist die Investition auf lange Sicht allemal wert.