Update zu: Wann Taggings auf Instagram & Co. verbotene Schleichwerbung sind

Martin Bahr
Martin Bahr

Dr. Bahr ist Rechtsanwalt in Hamburg und auf das Recht der Neuen Medien und den gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Neben der reinen juristischen Qualifikation besitzt er ausgezeichnete Kenntnisse im Soft- und Hardware-Bereich. Unter Law-Podcasting.de betreibt er seit 2006 einen eigenen Podcast und unter Law-Vodcast.de einen Video-Vodcast.

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In der Ausgabe 51 hatten wir über die Entscheidung des Landgerichts Berlin berichtet, die für viel Aufsehen in der Social-Media-Szene gesorgt hatte. Betroffen war die Bloggerin Vreni Frost. Das Landgericht hatte der Bloggerin unerlaubte Schleichwerbung durch Setzen von Taggings auf Instagram unterstellt. Der Aufruhr in der Szene war groß. Nun hat das Kammergericht Berlin in der Berufung die Entscheidung in einem wichtigen Punkt aufgehoben, sodass es angebracht ist, ein Update zum Thema Schleichwerbung bei Instagram & Co. zu bringen. Auch wenn das Kammergericht von keiner grundsätzlichen Kennzeichnungspflicht ausgeht, stellt die Entscheidung keinen Freifahrtschein für Influencer dar.

A. Der Sachverhalt

Wir erinnern uns: Beklagte im vorliegenden Fall war die Modebloggerin Vreni Frost, die seit mehr als zehn Jahren unter anderem über ihren Blog und Instagram über Lifestyle & Co. berichtet.

Inhaltlich ging es um drei Bilder, die Frost auf Instagram gepostet hatte. Auf den Bildern hatte sie Marken direkt im Bild getaggt. Diese Beiträge waren nicht als Werbung gekennzeichnet, weil keine der getaggten Marken die Bloggerin bezahlt hatte. Trotzdem sprach der Verband Sozialer Wettbewerb eine entsprechende Abmahnung wegen Schleichwerbung aus.

Als Frost sich weigerte, eine Unterlassungserklärung abzugeben, ging die Angelegenheit vor Gericht. Die Bloggerin verlor.

Vreni Frost hatte u. a. den kommerziellen Charakter der relevanten Inhalte bestritten und gemeint, sie verfolge damit keine kommerziellen Zwecke. Sie konnte sogar durch entsprechende Belege nachweisen, dass einzelne Produkte, die Gegenstand der Postings waren, von ihr selbst erworben und nicht von dritter Seite aus gesponsert worden waren.

Gleichwohl verurteilte das Landgericht in erster Instanz die Influencerin. Von einem privaten Handeln könne keine Rede sein, so die Richter. Der Account der Beklagten weise mehr als 50.000 Follower auf. Auch habe sie selbst in einem Interview die Aussage getätigt, dass das Einzige, was man auf ihrem Blog nicht lese, private Bereiche seien, die sie nicht ins Internet tragen möchte.

Dies sah das Landgericht anders: Denn auch wenn Frost keine Gegenleistung erhalten habe, fördere sie damit gleichwohl den Absatz der verlinkten Unternehmen. Dies reiche aus, um eine Kennzeichnungspflicht zu bejahen.

B. Die Berufungsentscheidung des KG Berlin

Das Kammergericht Berlin (KG Berlin, Urt. v. 08.01.2019 – Az.: 5 U 83/18.) folgte im Rahmen der Berufung dieser Auffassung nicht, sondern vertrat vielmehr eine differenzierte Ansicht: In zwei der drei Fälle hielt das Gericht die Verurteilung für begründet. Lediglich in einem Fall hob es die Entscheidung auf und wies die Klage ab.

Wichtigste Aussage des Kammergerichts ist, dass nicht automatisch jedes Posting eines Influencers kennzeichnungspflichtige Werbung ist. Denn auch ein Werbetreibender könne sich grundsätzlich auf das Recht auf freie Meinungsäußerung berufen:

Der Dienst ‚Instagram‘ wird als soziales Netzwerk bezeichnet. Der Sinn eines derartigen Netzwerks besteht jedenfalls auch darin, Verbindungen zwischen den Nutzern herzustellen. Der Besucher eines Instagram-Accounts erwartet dort nicht nur Informationen, die weitere Recherchen erfordern, wenn er sein Ziel erreichen will, sondern eine Verbindung zum Gegenstand der gesuchten Information. Der Link ist aber auch im Übrigen nicht mehr als eine allenfalls geringfügige Abkürzung oder Erleichterung des Weges, über eine Suchmaschine zu diesem Ziel zu gelangen.

Die Grenze zwischen einer (...) unbedenklichen Markennennung im Rahmen einer Meinungsäußerung oder eines redaktionellen Beitrages einerseits und zu kennzeichnender Werbung andererseits an der Verlinkung zu einen Instagram-Account des Nutzers der Marken zu ziehen, ist jedenfalls dann nicht sachangemessen und der Lebenswirklichkeit des Internets gerecht werdend, wenn dem Verbraucher über den Link nicht unmittelbar der Erwerb des Produkts ermöglicht wird. Wohl jedes aktuelle Textverarbeitungsprogramm gestaltet die Eingabe einer Internetadresse automatisch als Link."

Es bestünde keine generelle Kennzeichnungspflicht:

„Es stellt sich weiter die Frage, ob jeder einzelne Instagram-Account der Antragstellerin als kommerziellen Zwecken dienend gekennzeichnet werden muss, ohne dass auf die Prüfung des redaktionellen Gehalts des einzelnen Posts eingegangen werden muss, weil andere Posts kommerziellen Zwecken Dritter gedient haben bzw. weil der Account insgesamt, und damit jeder einzelne Beitrag, der Eigenwerbung der Antragsgegnerin gedient hat. Diese Frage ist im Hinblick auf die Grundrechte der Antragsgegnerin aus Art. 11 EU-Grundrechtecharta zu verneinen. (...)

Das Bestreben eines Influencers, Werbeeinnahmen zu erzielen, rechtfertigt es nicht, ihn zu verpflichten, jede Äußerung mit einem Hinweis zu versehen, mit dem der Verkehr einen nachrangigen oder minderen Wert des Beitrags verbindet.

Insoweit kann für einen Influencer nichts anderes gelten, als für andere Medienunternehmen, die sich durchweg zumindest auch über Werbeeinnahmen finanzieren und für Auftraggeber insbesondere dann attraktiv sind, wenn eine Vielzahl von Personen erreichen, ganz gleich, ob man diese nun als Leser, Zuschauer oder Follower bezeichnet."

Mit anderen Worten: Postet ein Influencer private Nachrichten bzw. redaktionelle Inhalte, dann greift keine Kennzeichnungspflicht.

Es hängt somit vom konkreten Einzelfall und von der genauen Ausgestaltung des Postings ab, ob es sich nur um eine redaktionelle Berichterstattung oder eine Meinung handelt oder ob hier ein Fall der Werbung vorliegt.

Beispiel für keine Kennzeichnungspflicht:

Influencer X kauft sich das neuste iPhone, postet von dem Gerät Bilder und schreibt auch, wie toll er es findet. Es liegt keine Werbung vor, da Influencer X hier lediglich seine (private) Meinung kundtut.

Beispiel für Kennzeichnungspflicht:

Influencer X erhält von Apple das neuste iPhone, damit er es auf seinem Instagram-Profil erwähnt und Bilder einstellt. Es liegt Werbung vor, da Influencer X hier die Produkte eines Unternehmens mittelbar bewirbt.

C. Konsequenzen der juristischen Entscheidung

Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin hat mehrere wichtige Bedeutungen für die Praxis in Sachen Kennzeichnungspflicht bei Influencern.

1. Keine generelle Kennzeichnungspflicht

Die weitreichendste Konsequenz ist, dass keine generelle Kennzeichnungspflicht gilt. Denn die Robenträger geben die klare Parole aus: Nicht jedes Posting eines Influencers ist kennzeichnungspflichtig. Postet ein Influencer privaten oder redaktionellen Inhalt, dann gilt keine Hinweispflicht. Insbesondere aus der bloßen Nutzung von Tags lässt sich noch kein Rückschluss auf eine etwaige Werbeabsicht ableiten.

2. Problematik der Beweislast

So positiv die Entscheidung für die Influencer-Szene ist, darf in der alltäglichen Praxis nicht die bestehende Beweislastverteilung übersehen werden.

Das Kammergericht Berlin bewertete im Fall Vreni Frost das eine Posting nur deshalb als Meinungsäußerung, weil sie durch Kaufbelege und durch eine eidesstattliche Versicherung nachweisen konnte, dass sie die gezeigten Waren selbst gekauft hatte und auch kein sonstiger Werbevertrag bestand.

Im juristischen Alltag wird die Grenze zwischen unproblematischer Meinungsäußerung und verbotener Schleichwerbung im Einzelfall häufig nur sehr schwer zu bestimmen sein. Daher gehen die Gerichte hier von einer Beweislastumkehr zuungunsten des Influencers aus. Im Zweifel sind sämtliche Postings kommerzielle Werbung. Nur wenn der Influencer – wie im vorliegenden Fall – durch entsprechende Nachweise das Gegenteil beweisen kann, gilt etwas anderes.

Das Urteil ist somit keinesfalls der Freifahrtschein für Influencer, wie teilweise behauptet wird. Gelingt nämlich dem Influencer nicht der notwendige Nachweis, spricht der Beweis des ersten Anscheins zuungunsten des Influencers. Es wird dann der Fall einer rechtswidrigen Schleichwerbung vermutet.

3. Noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung

Es darf auch nicht übersehen werden, dass bislang noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Frage existiert.

Inzwischen haben zwar einige Instanzgerichte Ausführungen zu dieser Problematik gemacht. Es fehlt aber weiterhin jedes Urteil des BGH zur Schleichwerbung im Social-Media-Bereich.

Insofern ist das Urteil des Kammergerichts Berlin zwar ein wichtiges Urteil, aber andere angerufene Gerichte können durchaus anderer Ansicht sein und vielmehr die strenge Linie der Vorinstanz, des Landgerichts Berlin, vertreten.

Rechtssicherheit wird es erst geben, wenn der BGH hierzu ein Machtwort gesprochen hat. Es ist bislang nicht erkennbar, dass dies in absehbarer Zeit der Fall sein wird.